Im Jahr 1774 kam ein sechzehnjähriger Jude, mit Namen Moses Isaak, aus Frankfurt an der Oder gebürtig, zu mir, und bat mich, ihn in der christlichen Religion zu unterrichten und alsdann zu taufen. Je mehr Schwierigkeiten, die nicht ungegründet waren, ich ihm dabey machte, desto herzlicher und angelegentlicher bat er mich, ihm zu willfahren. Ich versprach, mich ihm unter den Bedingungen, daß er Lernbegierde zeigte und Fleiß anwendete, die Bürgerschaft aber für seinen Unterhalt und Verpflegung während der Zeit des Unterrichts auf mein Bitten sorgen würde, einen Versuch zu machen.
Da diese zweifache Bedingung erfüllt wurde, setzte ich den Unterricht fort, der denn bey seiner großen und anhaltenden Lernbegierde, zu meinem größtem Vergnügen, den besten Erfolg hatte. Eine beträchtliche Anzahl gutdenkender Häuser brachte monatlich einige Thaler zu seiner Kleidung und Verpflegung mit einer lobenswürdigen Willigkeit auf, und der verstorbene Glaser Vierthaler und Servisrendant, Johann Carl Wilhelm Rückart , der sich in gemeinnützigen Geschäften, und in der Ausübung christlicher Liebeswerke, allemal sehr thätig zeigte, wurde sein Fürsorger. An jedem Tage wurde er auch von von wohlthätigen Häusern mit Vergnügen gespeist.
Mit seinem Fleiße und innigem Verlangen, in den Religionswahrheiten gründlich unterrichtet zu werden, verband er auch ein edler und gefälliges Betragen. Endlich gelang es mir, ihn so weit zu bringen, daß er den 16ten October desselben Jahres getauft werden konnte. Dies geschah denn vor einer so volckreichen Versammlung, daß unsere, nicht kleine, Kirche kaum geräumig genug war, sie zu fassen.
Bey einer rühmlichen Stille hielt ich am Nachmittage eine auf diese Handlung vorbereitete Predigt über Hesek. 36, 25-27. Nach Endigung der Predigt geschehe des Examen des Proselyten von der Kanzel, vor welcher er stand, damit man seine Antworten desto besser vernehmen möchte. Zu aller Zuhörer Zufriedenheit beantwortete er meine Fragen mit so großer Freudigkeit, als Fertigkeit. Nach Absingung einiger schicklichen Liederverse trat der Proselyt mit denen dazu erbetenen Taufzeugen vor den Altar. Die Taufzeugen, welche ihre Geschäfte mit großer Willigkeit übernahmen, waren folgende:

der Herr Kriegsrath Honig vom Amte Altenplathow
der hiesige Herr Kriegsrath von Arnstedt
der Herr Bürgermeister Gläser
der Cämmerer Roscher
der Herr Rathmann Luther
der Herr Landrath von Arnim von Brandenstein
der Herr von Byern auf Zabakuck
die Frau Hauptmannin von Retzow auf Neuen Bellin
die Frau Cammerherrin von Byern auf Parchen
die Frau Majorin von Katte auf Altenklitsche
die Frau Präsidentin von Werder auf Brettin 
die hiesige ältere Fräulein von Arnim
die Frau Justizamtmannin Reinsdorff von Altenplathow
die Frau Doctorin Vierthaler und
die Frau Oberförsterin Scheffer aus Altenplathow

Ich hielt nun erst eine Anrede an den Proselyten. Nach derselben geschah die Taufhandlung nach der Kirchenagende mit den nöthigen Veränderungen vor dem Altar, wobey er die Namen
Christian Wilhelm Neumann
erhielt. Nach der Taufe wurde der neue Christ mit einer kurzen Rede zur Beständigkeit und Treue im Christenthum ermuntert, den Taufzeugen Dank abgestattet, und die Gemeinde ermahnt, dem neuen Christen mit einem guten Beispiele vorzuleuchten.
Die Taufzeugen machten sich ein Vergnügen daraus, ihn reichlich zu beschenken, und in den Kirchenbenken... wurde nach Endigung des Gottesdienstes eine nicht unbeträchtliche Collecte für ihn gesammelt. Er lernte hierauf die Weißgärberprofession bey Herrn Otto Friedrich Herrmann. Und .. gereicht ihm zum Ruhm, daß er mehr Standhaftigkeit im Christenthum, und mehr ausdauernden Fleiß, als viele andere seiner Nation, beweisen.
Er besetzte sich nach einigen Jahren in Winn... und war in seinen Geschäften glücklich, erreichte aber kein hohes Alter.

v. Einem 
Kurzgefaßte Beschreibung der Stadt Genthin
Stendal 1803

Quelle: Kirchenbücher Genthin, Jüdische Gemeinde, Abschrift von Lehrer Vogeler um 1930

Ingo Paul, der das Ortsfamilienbuch Juden im ehemaligen Deutschen Reich bearbeitet, hat mir freundlicherweise eine Aufstellung aller bisher im OFB erfassten Juden in Genthin zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür.

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