Warschauer Aufstand begann vor 50 Jahren

Die deutsch-polnische Beziehungen sind heutzutage weniger problematisch als die russisch-polnischen. Die Gründe für das spannungsgeladene Verhältnis liegen auch in den Geschehnissen vor 50 Jahren.

Am 1. August 1944 erhob sich in Warschau die polnische Unterrgrundarmee gegen die Deutschen. In den vorangegangenen Tagen hatten sowjetische Sender immer wieder zum Aufstand aufgerufen, und so rechnete der Befehlshaber der Untergrundarmee, General „Bor“ Komorowski, mit Unterstützung. Die Rote Armee stand in den Vororten Warschaus, aber dort blieb sie auch, obwohl die Polen um Hilfe baten. Auch Churchill und Roosevelt baten Stalin, den Polen zu helfen.

Der aber behauptete wider besseren Wissen, es gebe gar keinen Aufstand. Nach weiterem Drängen ließ Stalin einige Waffen abwerfen, doch nannte er den Aufstand ein verantwortungsloses Abenteuer. Die Tatenlosigkeit der Roten Armee begründete Stalin mit zu langen Nachschubwegen. Erst Ende September, als der Aufstand in seinen letzten Zügen lag, erhielt ein polnisches Kontingent der Sowjettruppen die Erlaubnis zum Angriff. Er blieb stecken, da die benötigte Ausrüstung nicht zur Verfügung gestellt wurde. Nachdem 16 000 Mann und 150 000 Zivilisten gefallen waren, kapitulierten die Untergrundarmee am 2. Oktober 1944. Die polnischen Kommunisten nannten das einen „deutschfreundlichen Akt“.

Die historische Forschung ist sich einig, daß Stalin die Untergrundarmee mit den Aufrufen zum Aufstand bewußt irregeführt hatte. Er wußte natürlich, ob die Rote Armee militärisch fähig war, Warschau zu befreien. Er wußte aber auch, daß die Untergrundarmee gegen die Kommunisten war. In den Gebieten Polens, die schon von der Roten Armee besetzt waren, liefen bereits Erschießungsaktionen gegen Mitglieder der Untergrundarmee. In Warschau ließ Stalin sich diese Arbeit von den Deutschen abnehmen. Damit wurde der polnischen Exilregierung der mögliche Prestigegewinn einer Befreiung Warschaus durch ihre Untergrundarmee genommen. Doch hätte ihr der wohl auch nicht viel genützt, denn in Prag und Bukarest jagte die Rote Armee den Untergrund aus der Stadt. Die Vernichtung der Untergrundarmee war ein wichtiger Schritt, m in Polen ein kommunistisches Regime zu installieren.

Vor diesem Hintergrund waren die Diskussionen verständlich, ob man den russischen Präsidenten zu der Gedenkfeier einladen soll. Viele Polen machen keinen Unterschied zwischen Sowjetunion und Russen. Für sie ist Stalins grausamer Betrug von 1944 ein weiteres dunkles Kapitel in der immer wieder von Krieg und wechselseitiger Unterdrückung überschatteten Geschichte beider Völker. Durch Jelzins Absage am 10. Juni, die offensichtlich eine Reaktion auf die polnischen Diskussionen war, sind die Beziehungen nicht besser geworden. Eine Chance zur Versöhnung wurde vertan.

Bildunterschrift: Warschauer Aufständische, die nach der Kapitulation am 2. Oktober 1944 in deutsche Gefangenschaft geraten

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 29.07.1994

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Weiterführende Quelle: Warschauer Aufstand bei Wikipedia

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