Vor 50 Jahre fand in Potsdam die erste und einzige Konferenz der „Großen Drei“ Verbündeten nach dem Krieg statt. Viele Entscheidungen wurden vertagt – trotz des Codenamens „Endstation“ war es nicht die große Friedenskonferenz, zu der sie später hochstilisiert wurde.

Vor dem Hohenzollernschloß blühte der rote Sowjetstern. In aller Eile waren Tausende rote Rosen und Geranien in Form des Sowjetsymbols gepflanzt worden: Die Gäste sollten ruhig sehen, auf wessen Hoheitsgebiet sie sich befanden. Wieder einmal hatte sich Stalin gegenüber seinen Verbündeten durchgesetzt, und so fand die letzte der drei großen Kriegskonferenzen in sowjetischem Einflußgebiet statt: Im Schloß Cecilienhof in Potsdam-Babelsberg.

Unter dem treffenden Codenamen „Terminale“ – „Endstation“ trafen sich vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 in dem nahezu unversehrten Preußenschloß die „Großen Drei“ der Anti-Hitler-Koalition, um über eine deutsche und europäische Nachkriegsordnung zu beraten. US-Präsident Harry S. Truman und der britische Premierminister Winston Churchill zeigten sich vom Flair der Babelsberger Villenkolonie und dem Komfort des 176 Zimmer zählenden Konferenzortes, die in krassem Gegensatz zu den Zerstörungen der ausgebombten Städte Berlin und Potsdam standen, sichtlich beeindruckt.

Doch über die Formulierung einer relativ dehnbaren Grundsatzpolitik kam man auch auf der „Potsdamer Konferenz“ nicht hinaus –Entnazifierung, Entmilitarisierung, Wiederherstellung des politischen Lebens auf demokratischer Grundlage lauteten die Schlagworte. Zu harten Auseinandersetzungen kam es erst über der konkreten Fragenach dem Zuständigkeitsbereich des Alliierten Kontrollrates. Was denn unter „Deutschland“ zu verstehen sei, erkundigte sich Churchill bescheiden am 18. Juli bei seinen Kollegen, sofern es sich um das Vorkriegsdeutschland handle, stimme er zu. Stalin wehrte vehement ab: „Deutschland ist das, was es nach dem Kriege geworden ist. Es gibt kein anderes Deutschland.“ Damit war der entscheidende Punkt der Konferenz auf den Tisch gebracht worden: Die Verschiebung der polnischen Westgrenze auf Kosten der deutschen Ostgebiete. Die bereits unter russischer Ägide erfolgte Übergabe der deutschen Gebiete an Polen, das nach Meinung Trumans damit zur „fünften Besatzungsmacht“ aufstieg, erklärte Stalin mit dem Hinweis, die deutsche Bevölkerung sei aus diesen Gebieten bereits geflohen. Als neue deutsch-polnische Grenze schlug er folgenden Verlauf vor: „Westlich von Swinemünde, zur Oder hin, dabei Stettin auf polnischer Seite belassend, weiterhin entlang der Oder bis zur Einmündung der westlichen Neiße, dann dieser folgend bis zur tschechoslowakischen Grenze“. Damit wollte sich Churchill, der eine „Tragödie hinter dem Eisernen Vorhang“ witterte, jedoch nicht zufrieden geben. Zwar war eine Entschädigung Polens, das seine eigene Ostgrenze zugunsten der UdSSR verschieben mußte, unumstritten, aber der britische Premier kämpfte zumindest für die östliche Neiße als Grenzfluß. Es ging um das Abstecken zukünftiger Interessensphären. Die Verhandlungen zogen sich hin. „Churchill redet die ganze Zeit, und Stalin grunzt nur“, stöhnte Truman in einem Brief an seine Mutter. Die britische Verhandlungsposition wurde durch das Ausscheiden Churchills entscheidend geschwächt, der nach seiner Wahlniederlage am 29. Juli von dem Labourführer Clement Attlee als Premierminister abgelöst wurde.

Ins Stocken gerieten die Gespräche auch in puncto Reparation. Den rigorosen Forderungen der Sowjets konnten und wollten die Westalliierten nicht nachgeben. Das Verhandlungspatt versuchte man in geselligen Abendrunden zu überspielen. Truman überraschte seine beiden Gesprächspartner mit einem Klavier-Duo, Stalin konterte mit zwei Moskauer Violin-Virtuosen, Churchill ließ gar die ganze Royal Air Force Band aus London einfliegen. Im Hintergrund arbeiteten die Außenminister fieberhaft an einem Kompromiß.

Man einigte sich darauf, daß jede Besatzungsmacht ihre Reparationsansprüche aus der eigenen Zone befriedigen sollte. Zusätzlich erhielten die Sowjets zehn Prozent der Leistungen aus dem Westteil Deutschlands ohne Bezahlung, 15 Prozent gegen Warenaustausch. Der Preis, den die Westmächte für den Minimalkonsens bezahlten, war hoch: Vorbehaltlich einer endgültigen Regelung eines Friedensvertrages erkannten sie Polens neue Westgrenze entlang der westlichen Neiße an. Die Vertreibung der dort lebenden Deutschen wurde sanktioniert, da an eine „organisierte und humane“ Umsiedlungsaktion, wie sie das Abschlußkommunique vorsah, nicht ernsthaft zu denken war.

Das am 2. August 1945 veröffentlichte „Potsdamer Abkommen“, das als Regierungsabkommen ohne Ratifizierungsverfahren kein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag war, beinhaltete eine folgenschwere Konsequenz: Die Teilung Deutschlands in ein westliches und ein östliches Reparationsgebiet und die damit verbundenen Vollmachen der Zonenkommandanten untergruben die Vorstellung von der Einheit Deutschlands als Wirtschaft- und Verwaltungsgebiet. Die politische Spaltung war vorgezeichnet, ebenso die Teilung Europas in wie feindliche Interessenblöcke, die die Welt 50 Jahre lang in Atem halten sollte.

 

Sonderbefehl
Für die deutsche Bevölkerung der Stadt Bad Salzbrunn

einschliesslich Ortsteil Sandberg.

Laut Befehl der Polnischen Regierung wird befohlen:
1. Am 14. Juli 1945 ab 6 bis 9 Uhr wird eine Umsiedlung der deut-
schen Bevölkerung stattfinden.
2. Die deutsche Bevölkerung wird in das Gebiet westlich des Flusses
Neisse umgesiedelt.
3. Jeder Deutsche darf höchstens 20 kg Reisegepäck mitnehmen.
4. Kein Transport (Wagen, Ochsen, Pferde, Kühe usw.) wird erlaubt.
5. Das ganze lebendige und tote Inventar in unbeschädigtem Zustande
bleibt als Eigentum der Polnischen Regierung.
6. Die letzte Umsiedlungsfrist läuft am 14. Juli 10 Uhr ab.
7. Nichtausführung des Befehls wird mit schärfsten Strafen verfolgt,
einschließlich Waffengebrauch.
8. Auch mit Waffengebrauch wird verhindert Sabotage und Plünderung.
9. Sammelplatz an der Straße Bhf. Bad Salzbrunn-Adelsbacher Weg
in einer Marschkolonne zu 4 Personen. Spitze der Kolonne 20 Meter vor
der Ortschaft Adelsbach.
10. Diejenigen Deutschen, die im Besitz der Nichtevakuierungsbescheini-
gungen sind, dürfen die Wohnung mit ihren Angehörigen in der Zeit
von 5 bis 14 Uhr nicht verlassen.
11. Alle Wohnungen in der Stadt müssen offen bleiben, die Wohnungs- und
Hausschlüssel müssen nach außen gesteckt werden.

Bad Salzbrunn, 14. Juli 1945, 6 Uhr                          Abschnittskommandant
(-) Zinikowski
Oberstleutnant

Bildunterschrift: Nachdenken über das Schicksal Deutschlands nach dem Krieg: Churchill, Truman und Stalin (von links) zu Beginn der Potsdamer Konferenz vor 50 Jahren (oben). Die Bevölkerung ahnte nichts von der Tragweite der Beschlüsse: In völlig überfüllten Zügen werden auf Hamsterfahrten die Mittel zum Überleben „organisiert“ (rechts)

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 14.07.1995

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Weiterführende Quelle: Sonderausstellung Potsdamer Konferenz zum 75. Jahrestag

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