Nestor der Verschwörer-Gruppe stammte aus Kemberg
Als Friedrich Werner Graf von der Schulenburg, Botschafter in Moskau, 1941 die deutsche Kriegserklärung an die Sowjetunion überreichen mußte, soll er die Hände in derselben hilflosen Geste gehoben haben, die er drei Jahre später vor dem Volksgerichtshof wiederholte. Doch während ihn vor dem Zorn des Diktators Stalin noch seine diplomatische Immunität schützte, gab es vor Hitlers Juristen auch für ihn kein Entkommen: Graf von der Schulenburg, der damals 68jährige Nestor des Wiederstands-Kreises um Claus Graf Schenk von Stauffenberg, wurde nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wie die meisten seiner Mitverschwörer hingerichtet.
55 Jahre nach dem mißglückten Befreiungsschlag der Offiziere und Diplomaten galt das öffentliche Gedenken auch seiner Person, an der sich Größe und Grenzen des „Kreisauer Kreises“ exemplarisch abbilden lassen. Denn der 1875 in Kemberg bei Wittenberg geborene Jurist, dem „Ansehen und Auskommen selbstverständlich“ schienen, war alles andere als ein glühender Antifaschist. Im diplomatischen Corps überstand er den Wechsel von der Weimarer Republik zur Berliner Diktatur mühelos und besetzte 1934 mit dem Botschafterposten in Moskau gar einen neuralgischen Punkt der deutschen Außenpolitik. Erst der erfolglose Einspruch gegen Hitlers Annexionspläne ließ ihn zum entschlossenen Verschwörer reifen – in der geplanten Nachkriegs-Regierung war er für das Außenministerium vorgesehen.
Es gehört zu den bitteren Pointen der Geschichte, daß der sowjetische Geheimdienst KGB nach dem Ende des Kalten Krieges 1991 ausgerechnet Schulenburgs Akte als erstes Zeichen seiner neuen Offenheit für westliche Forscher freigab. Und auch in seiner Heimat tat man sich mit der Erinnerung an den Realpolitiker in Bismarcks Tradition schwer: Erst 1994 wurde eine Gedenktafel am Kemberger Geburtshaus des couragierten Zivilisten enthüllt.
Bildunterschrift: Friedrich Werner Graf von der Schulenburg (1875-1944)
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 21.07.1999
Weiterführende Quelle: Kurzbiographie Friedrich Werner Graf von der Schulenburg
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