Bergung nach fast 50 Jahren – Pilot wird beigesetzt
Ein Bagger hievt auf einem Feld verbogene Motor- und Propellerteile zu Tage. Leute mit Handschuhen und Gummistiefeln sitzen in einem Schlammloch und sortieren mit Pinzetten vorsichtig nasse, verschmutzte Papiere in Plastiktütchen. Andere legen mit Pinseln Knochenteile frei, Feuerwerker sammeln Patronen. Mitglieder des Vereins zu Bergung von Kriegsopfern haben am Sonnabend in Reesen bei Burg (Jerichower Land) die Trümmer eines deutschen Jagdflugzeuges aus dem Zweiten Weltkrieg ausgegraben. Sie fanden dabei auch Überreste des Piloten, die auf einem nahe gelegenen Friedhof beigesetzt werden sollen.
„Das Flugzeug vom Typ Messerschmitt Me 109 wurde am 2. März 1945 bei einem Luftkampf mit US-Maschinen abgeschossen“, berichtet Grabungsleiter Uwe Benkel. „Es gehörte zum Jagdgeschwader 301 in Salzwedel.“ An der Bergung nehmen nicht nur die Mitglieder des in Kaiserslautern ansässigen privaten Vereins teil, auch Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sowie Vertreter des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge sowie Schaulustige sind vor Ort.
Der Pilot wird anhand eines Postsparbuches identifiziert. Danach handelt es sich um einen Unteroffizier namens Alfred Appel. „Das Alter des Mannes und seinen Herkunftsort konnten wir noch nicht feststellen, sagt Benkel. „Sobald alte Unterlagen auch dieses Geheimnis preisgegeben, werden wir mögliche Angehörige suchen und informieren. Dann haben sie endlich Klarheit über das Schicksal ihres Familienmitgliedes.“
Stundenlang dauert die Grabung auf dem Feld. Neugierig drängen sich Anwohner trotz Regen und Wind um das sechs mal vier Meter große Loch. „In den letzten Tagen des Krieges sind hier in der Gegend fünf Flugzeuge abgeschossen worden“, erinnert sich einer.
Immer wieder fördern die Experten bizarre Fundstücke ans Tageslicht, darunter den ungeöffneten Fallschirm, der den Piloten damals nicht mehr retten konnte. Die Flugzeugtrümmer liegen zwei bis drei Meter unter der Erde: „Seinerzeit muss die Maschine mit einer Geschwindigkeit von 400 Stundenkilometern in den Boden gerast sein“, vermutet Benkel. Unter den Fundstücken sind auch ein Wehrmachtsfahrschein und Lebensmittelmarken.
Der Verein sucht seit 1989 nach vermissten Piloten und Flugzeugen. „Der Fund von Reesen ist seither unsere 68. Ausgrabung“, sagt Benkel. Neben deutschen seien bislang auch amerikanische, englische und russische Flugzeuge sowie die Leichen von 15 Piloten geboren worden. Laut Benkel gelten derzeit noch über 1000 Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg als vermisst. Informationen über mögliche Absturzstellen erhältder ehrenamtlich tätige Verein durch Recherchen in Archiv und Gespräche mit Zeitzeugen. Nächstes Projekt ist in rund einem Monat die Bergung eines US-Bombers, der in einem See bei Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern vermutet [wird].
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 11.10.1999
Weiterführende Quelle: Arbeitsgruppe Flugzeugabstürze Zweiter Weltkrieg
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