Über 30 Nachfragen seien beim Landesverband des Bundes Stalinistisch Verfolgter (BSV) bereits eingegangen, mit denen sich Bürger nach dem Schicksal und Verbleib ihrer in den Jahren 1950 bis 1952 gestorbenen Angehörigen erkundigen. Das erklärte Vorstandsmitglied Wolfgang Fintzel gegenüber der MZ. Die Aufklärung sei möglich geworden, seit die auf dem halleschen Gertraudenfriedhof verscharrten Urnen anhand von Todeslisten der von sowjetischen Militärtribunalen Verurteilten identifiziert werden können.

Die jetzt aufgefundenen Unterlagen enthalten Namen von 220 Opfern, die im Strafvollzug Torgau umkamen und in Halle verbrannt wurden. Wie Fintzel mitteilte, sollte die Nachfrage neben dem Namen des Angehörigen aus Geburtstag und, sofern bekannt, den Todestag enthalten. Bei Nachweis einer Grabstelle werde die Urne in den Heimatfriedhof überführt. Ansprechpartner seien das hallesche Grünflächenamt, Abteilung Friedhöfe, oder die Geschäftsstelle des BSV in Eisleben.

Bis Ende 1994 soll, so Fintzel, die Identifizierung der Toten des Gertraudenfriedhofes abgeschlossen sein, wofür auch alte Belegungspläne hinzugezogen werden. In den Fällen, in denen sich kein Angehöriger meldet, werde mit Zustimmung des Magistrats im Herbst eine würdige Beisetzung erfolgen. Da die Opfer der Lager, die 1950 in deutsche Verwaltung übergingen, aus allen Teilen Deutschlands kamen, würden auch Listen der Krematorien aus Mühlberg, Sachsenhausen, Ketschendorf und Jamlitz gesichtet. Für die betroffenen Familien sei die Gewißheit über die letzte Ruhestätte ihrer Angehörigen, die vor über 40 Jahren in den Strudel der Nachkriegsereignisse gerieten, ein zutiefst menschliches Bedürfnis, betonte Fintzel.

Bildunterschrift: Dieses Geschehen rückte vor fast 49 Jahre die Stadt Torgau in das Interesse der Weltöffentlichkeit: Russische und amerikanische Soldaten trafen im Kampf gegen Nazideutschland am 25. April 1945 am Ufer der Elbe aufeinander. Symbol dafür wurde die „Brücke der Begegnung“, die heute vom Zahn der Zeit bedroht ist. Ein Abriß wäre ein Politikum ersten Ranges, meint der Förderverein „Europa-Begegnungen“, der alljährlich die Torgauer Treffen organisiert. Für die Sanierung fehlen die Mittel, sagen sächsische Landespolitiker. Hoffnungen auf Hilfe liegen vor allem bei amerikanischen Kriegsveteranen, die sich in Torgau stark engagieren. Ein Teilnehmer des historischen Treffens, Joe Polowsky, hat sich 1983 dort beisetzen lassen, als stete Erinnerung daran, „daß im Frühjahr 1945 hier etwas Historisches vollbracht wurde“. Foto links: Begegnung an der Elbe. Foto oben: Da die Brücke gesprengt war, mußte mit Pontons übergesetzt werden.

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 21.01.1994

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Weiterführende Quelle: Die „Brücke der Begegnung“ heute

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