Das Gedenken an den Untergang der „Cap Arcona“ rief in mir Erinnerungen wach. Als am 1. Mai 1945 bei glatter See und schönstem Bilderbuchwetter die deutsche Kriegsflotte Richtung Dänemark auslief, bereiteten die Lazarette in Kühlungsborn die Flucht vor und verbrannten unter anderem alle Dokumente. Man riet, uns nach Dänemark durchzuschlagen. Ich legte mich über den Kotflügel eines Lkw, um durch Klopfen den Fahrer bei Tiefangriffen zu alarmieren. Mehrmals rettete uns bei dieser abenteuerlichen Fahrt der Straßengraben.
In Lübeck rückten gerade englische Truppen ein, und ich rettete mich auf das Schiff „Inster“, das gerade nach Dänemark auslief. Kaum abgelegt, griffen uns Jagdbomber an. Sie hatten leichtes Spiel, denn in der Neustädter Bucht lagen Dutzende deutsche Jagdflugzeuge, die – gleich aus welchen Gründen – nicht starten konnten. Dicht neben uns befand sich ein überfülltes Schiff mit Frauen aus Konzentrationslagern. Es hatte den Anschein, als ob von dort Rauch käme, wurde doch auch dieses Schiff angeflogen. In Travemünde wollte keiner der Flüchtlinge an Bord, sie ahnten, was dem Schiff bevorstand. Auch ich ging von Bord. In der Neustädter Bucht, wo auch die „Cap Arcona“ und andere Schiffe ihr Grab fanden, soll auch die „Inster“ liegen.
Ein verrückter Marineoffizier kam auf mich zu und wollte das Soldbuch sehen. Als ich ihm erklärte, daß alle Unterlagen verbrannt worden seien, zog er mit den Worten: „Ach, so einer sind Sie“, die Pistole und legte auf mich an. Im selben Augenblick kam im Tiefflug ein Jagdbomber auf uns zu, und der Offizier ging in Deckung. Ich rettete mich in die entgegengesetzte Richtung.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 10.05.1995
Weiterführende Quelle: Hintergründe zur „Inster“ im Marine-Archiv
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