Bundespräsident mahnt deutsch-tschechische Erklärung an – Zwischenfall bei Rede

Der Bundespräsident hat alle Ansprüche auf ehemalige deutsche Gebiete eindeutig abgelehnt. Das wiedervereinigte Deutschland erhebe keine Gebietsansprüche, betonte Herzog gestern auf dem „Tag der Heimat“, der zentralen Veranstaltung des Bundes der Vertriebenen.

„So schmerzhaft die Erkenntnis für Menschen ist, die in Hinterpommern, Ostpreußen oder Oberschlesien als Deutsche in Deutschland geboren sind: Diese Gebiete sind heute völkerrechtlich unbestritten polnisches Staatsgebiet. Sie gehören zu unserem geschichtlichen und kulturellen Erbe, „aber nicht mehr zu unserem Staat“, erklärte er.

Während Herzogs Ansprache kam es zu einem Eklat. Ein Mann im Auditorium beschimpfte den Bundespräsidenten als „Vaterlandsverräter“. Herzog unterbrach seine Ansprache kurz und entgegnete: „Das hat mir gerade noch gefehlt. Das habe ich nicht nötig, mir das von Ihnen sagen zu lassen. Schämen Sie sich.“

Herzog mahnte die gemeinsame Erklärung zur deutsch-tschechischen Versöhnung an. „Es ist an der Zeit, die Geschichte unserer Regierungen nun in eine gemeinsame Erklärung einmünden zu lassen, die den Weg zu vertieften Beziehungen frei macht.“ Der Bundespräsident hatte erst am vergangenen Mittwoch bei einem Treffen mit seinem tschechischen Kollegen Vaclav Havel die Hoffnung geäußert, daß bald eine Einigung über die umstrittene Erklärung erzielt wird.

Begangene Verbrechen während des Krieges und danach dürften nicht verschwiegen und nicht gegeneinander aufgerechnet werden, betonte der Bundespräsident. „Deutsche haben furchtbare Verbrechen begangen, die uns mit Scham erfüllen. Deutsche waren allerdings nicht nur Täter, sondern auch Opfer. Deutsche haben vertrieben und deportiert, aber sie sind auch selbst Opfer von Vertreibung und Deportation gewordenes gibt keinen Grund, das zu verschweigen.“ Die Deutschen hätten aus ihrer Geschichte mit dem Aufbau einer starken Demokratie richtige Lehren gezogen. „Darauf können wir stolz sein.“

Für deutsche Spätaussiedler müsse das Tor offenbleiben. „Es wäre unmenschlich, denjenigen die Türe vor der Nase zuzuschlagen, die als Deutsche mehr und länger als alle anderen unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges, des Stalinismus, der Deportationen und der Menschenverachtung in schlimmer Zeit gelitten haben.“

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 09.1996

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Weiterführende Quelle: (Spät-)Aussiedler aus Polen

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