Mit den Bombeneinsätzen der Alliierten erreichte der Krieg auch deutsche Städte. Die Bevölkerung versuchte, ihr Leben den Gefahren anzupassen.

Eigentlich erstaunlich: Zum ersten Mal wird eine Arbeit zur Geschichte der Bunker in Deutschland vorgelegt. Der Autor Michael Foedrowitz fängt in seinem jetzt erschienenen Buch ein breites Spektrum ein: Die Bunker sind nicht nur ein Aspekt der Kriegsgeschichte, sondern auch der Technikgeschichte, der Baugeschichte, der Sozialgeschichte.

Auch wer nicht der Kriegsgeneration angehört, verbindet mit dem Wort Bunker zumeist eine konkrete Vorstellung – von wehrlosem Warten, von Angst und Bedrängnis. Die Untersuchung ist zwar in Norddeutschland angesiedelt, aber für so gut wie die gesamte Großstadtbevölkerung waren die Bunker im Krieg eine Frage des Überlebens.

Foedrowitz beschreibt die Dramatik der Schicksale sachlich und nüchtern. Interessant sind vor allem die Abschnitte über den Alltag im Bunker. Die Menschen waren im Laufe des Krieges gezwungen, ihr Leben den Bombengefahren radikal anzupassen. Selbst in diesen existenzbedrohenden Situationen kehrte eine gewisse Routine ein. Versuchten die Schutzsuchenden anfangs noch, soviel wie möglich mitzunehmen – selbst Wellensittiche und „Volksempfänger“ -, so merkten sie bald, daß großes Gepäck die Überlebenschancen erheblich verringerte – man konnte mit solchen Lasten einfach nicht schnell genug laufen.

So schälte sich mit der Zeit heraus, was wichtig sein könnte: Lebensmittelmarken, Ausweispapiere, Geld, Schmuck, einige Lebensmittel, Milch für die Kleinkinder, Wolldecken, Wechselwäsche und – Andenken und Familienfotos. Für die Kinder wurde das Lieblingsspielzeug zum „festen Bunkergepäck“, das man in Hand- und Aktentaschen, Rucksäcken oder Koffern verstaute.

Natürlich versuchten es einige immer wieder, mehr mitzunehmen. Sogar in Kinder- und Handwagen wurden die Habseligkeiten verstaut. Prompt gab es einen Nachtrag zur Luftschutzraum-Ordnung am 18. September 1942: „Wegen Platzmangels kann jedem Bunkerbesucher nur die Mitnahme eines Gepäckstückes in der Größe eines Koffers von etwa 75 Zentimetern Länge gestattet werden…“

Da ab 1944 immer häufiger die Luftwarnungen ausfielen oder zu spät kamen, suchten viele Menschen aus Angst den Bunker jeden Abend auf. Die saßen dann schon dösend oder schlafend auf den Bänken, wenn bei Fliegeralarm andere Schutzsuchende in die Räume stürzten.

Trichter als Fallen

Doch selbst bei rechtzeitiger Warnung war der Weg zum Bunker gefährlich. Durch die absolute Verdunkelung hatten die Betroffenen kaum eine Orientierung, so daß Gräben und Bombentrichter zu bedrohlichen Fallen wurden. Daher nahmen viele Menschen, Taschenlampen mit, die trotz Verbot nicht abgedunkelt wurden.

Wegen der Eile und des Gepäcks schafften es besonders Ältere und Behinderte oft nicht rechtzeitig in die Bunker. Kranke und Verletzte mußten auf Tragen hingebracht werden. Oft gaben sich andere Schutzsuchende, so Foedrowitz‘ Recherchen, vor den Angriffen noch hilfsbereit, wenn aber das drohende Brummender anfliegenden Maschinen in der Luft lag, „war niemand mehr zu halten, und keiner nahm mehr Rücksicht“, wie ein Zeitzeuge mitteilte.

Um den Kreis der Schutzsuchenden zu verkleinern – Fremdarbeiter und Gefangene durften ohnehin nicht hinein – wurde schon ab Herbst 1940 damit begonnen, Teile der Bevölkerung zu evakuieren. Bereits am 27. September 1940 – parallel zum „Sofortprogramm“ des Bunkerbaus – hatte Hitler befohlen, alle Kinder im Alter bis zu 14 Jahren aus den am meisten gefährdeten Städten Hamburg und Berlin herauszubringen. Das wurde noch im November desselben Jahres auf weitere Städte ausgedehnt.

Diese Kinderlandverschickung sollte zwar freiwillig sein, da aber nur wenige Eltern bereit waren, sich von ihren Kindern zu trennen, setzte man durchaus auch Druckmittel ein. In Bremen zum Beispiel wurde gegen den elterlichen Widerstand die Parole „Kinder gehören nicht in den Bunker“ herausgegeben. Ab 1943 wurden diese Evakuierungen auch auf andere Bevölkerungsgruppen ausgedehnt. In den Städten, so Foedrowitz, sollten nur solche Menschen bleiben und die Bunker nutzen, die für die Produktion gebraucht wurden.

Zu Beginn des Krieges zweifelte kaum jemand an der Bombensicherheit der Bunker. Hauptsache, man kam hinein. Von den Luftschutzbauten waren die Rundbunker und Luftschutztürme von Anfang an unbeliebt. Sie waren bei Einschlägen in der Nähe starken Schwankungen ausgesetzt. Fiel zudem auch der Strom aus, steigerte die Dunkelheit die Angst noch weiter.

Die Hände gefaltet

Als Mitte 1941 trotz Geheimhaltung Nachrichten von Durchschlägen an Bunkern in die Öffentlichkeit drangen, schwand das Vertrauen der Bevölkerung in die Anlagen rapide. „Die Angst war immer da“, erinnert sich Helmut Teßmer aus Emden. „Man hat zwar als häufiger Bunkerinsasse einen Mechanismus entwickelt, sich zu beherrschen, aber wenn angekündigt wurde: Bomberverband im Anflug, dann spannten sich die Nerven, die Kehle wurde trocken, der Körper begann zu zittern“, sagt der heute 63jährige. Jeder hatte seine Art, mit der Todesangst umzugehen, Teßmer: „Manche verstummten, andere fingen an, Belangloses zu erzählen, rückten näher aneinander heran. Bei den ersten Bombeneinschlägen Angstrufe, dann gehen auch noch Licht und Lüftung aus. Jetzt fangen die psychisch Labilen an zu schreien, rufen, jammern. Beherzte Personen, oft Soldaten, beruhigen sie.“

Tief eingebrannt hat sich das Chaos in das Gedächtnis des jungen Helmut: „Die Rufe vergesse ich nicht: ‚Ich will hier raus!‘ ‚Oh, unser Haus!‘ Es riecht nach Baldriantropfen. Hände sind gefaltet, stille Gebete. Menschen halten sich an den Händen und sitzen stocksteif, andere wiederum ganz gebückt, als wollten sie im Boden versinken. Kein Wort mehr.“

Bunker-Bilanz

Den ersten geschlossenen Bomberangriff auf Berlin flog die Royal Air Force am 26. August 1940. Weitere Angriffe, vor allem auf die Küstenstädte, folgten. Daraufhin erließ Hitler am 10. Oktober 1940 das „Führer-Sofortprogramm“ für den zivilen Bunkerbau. Ursprünglich sollte die gesamte Zivilbevölkerung Schutzplätze – auch in Hochbunkern – erhalten, was durch den immer größer werdenden Mangel an Baustoffen, Transportmöglichkeiten und Arbeitskräften nicht durchgehalten werden konnte. Dem Einsatz zunehmend schwerer Bomben konnte auch neuentwickelte Bewehrung kaum mehr standhalten. Ohne die Bunker hätten weit mehr Menschen ihr Leben verloren, resümiert Michael Foedrowitz in seinem Buch. Dennoch gab es im Deutschen Reich 570 000 zivile deutsche „Luftkriegstote“. Außerdem kamen 32 000 Ausländer und 23 000 Angehörige von Polizei und Wehrmacht durch die Luftangriffe ums Leben. Bei den Angriffen auf Hamburg Ende Juli 1943 starben allein 40 000 Menschen, drei Viertel der Hansestadt wurde zuvor zerstört.

Bildunterschrift: Der Hochbunker und Geschützturm in Hamburg-Wilhelmsburg.
Hochklappbare Liegen übereinander, eine sogenannte „Stockbetteinheit“

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 16.10.1998

Foto in Originalgröße

Weiterführende Quelle: Buch „Bunkerwelten – Luftschutzanlagen in Norddeutschland“ von Michael Foedrowitz

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