Deutschland-Bild hat sich dennoch verbessert
In der Warschauer Innenstadt gibt es kaum eine Straße, die nicht ein kleines Denkmal, einen Gedenkstein oder eine Tafel hat, die an den Aufstand im Warschauer Getto 1944 erinnern.
Der Krieg ist in Polen in den Köpfen der Menschen immer noch präsent, auch 60 Jahre nach dessen Beginn, als deutsche Truppen am 1. September 1939 in Polen einfielen. Debatten über Sinnes Warschauer Aufstandes und die Haltung der damaligen Alliierten, über die Kriegsfolgen und die Kämpfe zwischen kommunistischen und nationalen Partisanen im Krieg werden in Polen bis heute heftiger geführt als Diskussionen über Wirtschaftspolitik.
Seit Deutschland die polnische Westgrenze endgültig anerkannt und die Visumspflicht für Polen aufgehoben hat, hat sich das Bild Deutschlands in der Öffentlichkeit deutlich verbessert. Die Erinnerungen an Hitlerdeutschland, die deutsche Besatzung und die Verbrechen während des Krieges sind verblaßt zugunsten eines Bildes, in dem Deutschland als Verfechter der Nato- und EU-Erweiterung dominiert.
Doch die Sympathie zu dem „Anwalt des Westen“ ist sehr instabil und widersprüchlich. Ein falsches Wort aus Bonn oder Berlin genügt, und die Erinnerungen an den häßlichen Deutschen werden wieder wacht. Denn zu den Bildern aus der Vergangenheit kommt auch noch die ganz aktuelle Furcht hinzu, von Deutschland innerhalb der EU wirtschaftlich dominiert zu werden. In der Sympathieskala der Demoskopen ist Deutschland seit 1990 stetig aufgerückt und ist heute beliebter als Russland, liegt aber deutlich hinter Frankreich, Italien und den USA.
Solche Umfragewerte verdecken aber die großen regionalen Unterschiede, die es in Polen im Verhältnis zu Deutschland und seiner Vergangenheit gibt. So dauerte etwa die deutsche Besatzung im ehemaligen Ostpolen (heute West-Ukraine, Ost-Litauen und West-Weißrußland) oft nur etwas über zwei Jahre und wurde von vielen Polen geradezu als Erleichterung im Vergleich zur sowjetischen Besatzung empfunden. Während und nach dem Krieg flohen viele Ost-Polen in das deutsch besetzte Generalgouvernement oder wurden nach dem Krieg in die ehemals deutschen Ostgebiete umgesiedelt. Bis heute überlagern in deren Gedächtnis so ukrainische Partisanenüberfälle und sowjetische Deportationen das Bild von der deutschen Besatzungszeit.
Wieder anders ist die Lage dagegen in der Region Posen, die einerseits wirtschaftlich von der preußischen Herrschaft profitiert hat, andererseits aber durch den Widerstand gegen die Germanisierungspolitik Bismarcks und später Hitlers zu einer Bastion der anti-deutschen Nationaldemokratie wurde, was bis heute spürbar ist. Deutsch und polnisch orientierten Schlesiern sind dagegen oft die Übergriffe der Roten Armee, die Deportationen in den Osten und die Säuberungen nach dem Krieg stärker im Gedächtnis haften geblieben als die Besatzungszeit.
Hintergrund:
Krieg begann mit inszenierten Angriffen
Am 1. September 1939 überschritten deutsche Truppen die polnische Grenze. In vielen Ländern gilt dies als Beginn des Zweiten Weltkrieges. In Russland hat jedoch der 22. Juni 1941, der Tag des Deutschen Einfalls in die Sowjetunion, einen weit höheren Stellenwert, und viele Franzosen verstehen unter dem Beginn des Kriegs vor allem die Besetzung von Paris am 14. Juni 1940.
Der Invasion in Polen gingen Scheinangriffe auf den Sender Gleiwitz und andere deutsche Orte in Grenznähe voraus, mit denen der Öffentlichkeit ein Kriegsgrund vorgegaukelt wurde. Adolf Hitler erklärte im Reichstag: „Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen.“ Zu dieser frühen Morgenstunde beschoss das Linienschiff „Schleswig-Holstein“ polnische Stellungen auf der Westerplatte, einer Landzunge bei Danzig. Deutsche Panzer-und Lastwagen-Kolonnen rückten über die Grenze vor, auf mehrere polnische Städte gingen die ersten Bomben des Zweiten Weltkriegs nieder.
Seit 1957 wird der 1. September in der Bundesrepublik als Anti-Kriegstag begangen. Damals rief der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unter dem Motto „Nie wieder Krieg “zu Kundgebungen auf. Ein Jahr zuvor war die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt worden. Die Beteiligung am Anti-Kriegstag erreichte in den späten 70ern ihren Höhepunkt.
Bildunterschrift: Vor 60 Jahren: Nach der Eroberung der polnischen Westerplatte im September 1939 hissen deutsche Truppe die Reichsfahne.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 01.09.1999
Weiterführende Quelle: Der Angriff auf die Westerplatte
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